Gedanken zur künstlerischen Arbeit

 

Wenn man in der Natur ist, dann schaut man in die Landschaft. Man sieht geformte Natur, die Biegung eines Flusses, die Erhebung eines Berges, Steine, die umher liegen, Gräser und Kräuter, die unvermittelt irgendwo wachsen, einen Baum, dessen Zweige sich in die Höhe schlängeln, das Muster einer Blüte, deren Farben und Formen unterschiedlich gleich sind. Alles wirkt gegeben, fast zufällig und doch geschaffen nach einer unerkannten Ordnung, einem System vielleicht, das uns Rätsel aufgibt und überrascht.

Auch des Menschen Hand ist Natur, frei, aber doch gesteuert von einem inneren Impuls. Keine Bewegung, keine Handhabung (was für ein schönes Wort in diesem Zusammenhang) ist genormt oder gerastert, nur möglich innerhalb natürlicher Grenzen, unerkannt und doch präsent. Unsere Hand reicht hinaus, um einen anderen Menschen zu berühren, zu streicheln, so wie es ist und wie man fühlt, von innen heraus, willentlich.

In diesem künstlerischen Prozess spiegelt sich stets ein Wille wider, individuell und unmittelbar. Formen zum Beispiel ergeben sich daraus ebenso wie alles Geschaffene, jedoch widerruflich und damit veränderbar bis zu einem gestalteten Endpunkt in Form, Ordnung und Farbe.

 

Linie und Fläche

Ich suche die Ruhe einer Linie. Flächen sind sich treffende Linien. Was passiert zwischen zwei Linien?

 

Gedanke und Handlung: Das Tun der Hand

Künstlerisches Arbeiten ist Handwerk. Aber die Hände alleine können es nicht tun. Was vom Kopf in die Hand kommt und sich darstellt durch das Tun, ist ein Wagnis, weil das Ergebnis nicht berechnet, sondern gedacht ist.

Die Hände sind die Sprache der Gedanken, sozusagen eine gedankliche Artikulation im Materiellen. Aber nichts in Gedanken Vorgestelltes, wenn man also mit dem Denken und durch das Denken in sich sieht, kann die Hand kongruent wiedergeben. Somit bleibt letztlich das Tun eine Hand(!)lung der Hand. Und somit auch immer ein Prozess.

Oft kommt es vor, dass ich mir zugeben muss, nicht gedacht zu haben, was schließlich das Ergebnis ist. Darüber denke ich dann nach.

 

Die Skizze ist (oft) der Anfang. Sie ist Abbild einer Idee. Die Idee ist die Umsetzung eines Reizes, der ein Gedanke, ein Eindruck, ein Geschehen oder sonst etwas aus dem erfahrenen Umfeld sein kann. Der Reiz ist der Impuls für die Idee, damit also der Beginn eines Prozesses. Dabei hört der Reiz nicht auf, Reiz zu sein. Aber es ist nicht klar, wann oder ob überhaupt er ein Ende hat. Er kann sich in der Idee verselbständigen. Die Idee verselbständigt sich in der Skizze. Deshalb wird auch der Übertrag der Skizze zu einem Bild nicht das Abbild ihrer selbst sein, denn auch das Bild ist wieder ein neuer Schaffensprozess aus der Idee. So verselbständigt sich auch das Bild.

Ein Bild ist erst dann fertig, wenn der Schaffende nicht mehr sein Betrachter ist.

Der Bildprozess ist zwar latent, weil ein Bild immer betrachtet wird, aber das kann eben auch enden. Meist entsteht dann ein neuer Reiz. Eigentlich ist es nie zu Ende.

 

Entscheidend sind Linie, Fläche, Körper – was keine prozessuale Reihung ist, sondern: meine Sichtweisen sind. Aus einem Körper (im physikalischen Sinne, deshalb ist auch die Materialität wichtig) kann sich eine Linie entwickeln oder – auch im Dreidimensionalen- eine Fläche als Abbild eines Körpers im Sinne von Räumlichkeit. Es kann so sein, es muss nicht. Das hängt von vielen Faktoren ab, wiederum von mir: emotional, affektiv, kognitiv, sozial, intellektuell usw..

Beim Arbeiten mit Holz ist es immer so, dass mit dem Holz, dem Fundstück, bereits eine Vorstellung existiert aus der materiellen Gegebenheit und aus dem Anschauen. Erst beim Bearbeiten zeigen sich Strukturen und Wege, die dann vom Holz zur Weiterarbeit vorgeschrieben werden. Zum Beispiel kann ein Astansatz in seiner Festigkeit oder auch Morbidität einen ganz anderen als gedachten Arbeitsweg verlangen. Holz zeigt immer Spuren, aus denen sich weitere Schritte ergeben. Was letztlich als Skulptur entsteht, ist vorab eine Annahme, ein inneres Bild, aber manchmal auch gar nicht klar, eher vage. 

 

Das Ziehen der Linie: das ist Konzentration und von Angst begleitet. Es ist nur eine Linie, jedoch ungemein verletzlich. Das ist Spannung, zuweilen sogar annähernd Kontemplation, der gesamte Vorgang vom Vorausdenken bis zur Entscheidung und dem Tun schließlich.

 

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© Norbert Döding